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Das Pferd läuft „klemmig“ – nicht immer ist der Bewegungsapparat schuld.

Pferd am Wasser

Wir kennen es wohl alle, das Pferd schwingt nicht im Rücken, ist unkonzentriert und läuft irgendwie nicht so frei und locker wie sonst. Meistens steckt nicht viel dahinter. Eine kleine Verspannung, entweder beim Pferd oder beim Reiter, denn auch das wirkt sich natürlich auf die Einheit Pferd-Reiter aus. Ein verkrampfter Reiter bedeutet nach nur wenigen Schritten auch ein verkrampftes Pferd. Klingt übertrieben, ist aber leider so. Warum, darauf gehe ich an anderer Stelle ausführlich ein.

Doch zurück zum schlecht laufenden Pferd. Vielleicht lahmt es sogar leicht, also begeben wir uns auf die Suche: Sind die Hufe gleich warm? Gibt es Schwellungen? Hufeisen locker? Stein im Strahl eingeklemmt oder gar einen Nagel oder einen ähnlichen, perforierenden Fremdkörper eingetreten?

Was, wenn die Suche nichts ergibt?

Wenn all das Suchen erfolglos bleibt gehen viele Reiter einfach zur Tagesordnung über. Sicher hat das Pferd nur einen miesen Tag, morgen wird’s schon besser laufen! – Klappt auch häufig, nur eben leider nicht immer.

Wenn die Blase drückt

Ein möglicher Grund für ein immer mal wieder aber nicht immer verspannt laufendes Pferd lauert an einer Stelle, an die man unter Umständen nicht gleich denkt: im Harntrakt.

Harntrakt? Was ist das denn?

Unter Harntrakt versteht man alle Harn-ableitenden Organe wie (von „oben“ nach „unten“, also in Richtung Ausgang aufgelistet) Niere, Nierenbecken, Harnleiter, Blase und Harnröhre. Wie bei uns Menschen auch ist dabei die Harnröhre männlicher Tiere naturgegeben deutlich länger als die weiblicher. Sprich: Keime, die von außen in den Harntrakt gelangen, kommen bei Stuten viel schneller in die Blase und können dort Entzündungen hervorrufen als beim Hengst. Der Grund ist einleuchtend: Beim Hengst müssen die Keime die ganze Strecke des Penis zurück legen, bei der Stute ist die Harnröhre deutlich kürzer.

Bakterielle Blasenentzündungen tun weh, gar keine Frage. Nur das tun sie eben immer, meist mehrere Tage oder Wochen, so man nicht medikamentös dagegen steuert und die fiesen Keime, die das Problem auslösen, abtötet. Das klappt in fast allen Fällen nur mit einer passenden Antibiotika-Therapie.

Das virtuelle Pferd in unserem Artikel hier jedoch läuft nicht immer klamm und auch nicht mehrere Tage sondern nur „immer mal wieder“ – woran kann das also liegen?

Die Erklärung ist relativ einfach: Auch Pferde können, ernährungsbedingt, Harnsteine entwickeln. Solang diese noch klein genug sind, dass sie sich nicht irgendwo in den ableitenden Harnwegen (Harnleiter, also auf dem weg von der Niere zur Blase oder in der Harnröhre, also auf dem Weg von der Blase nach draußen) fest klemmen stoßen sie nur immer mal wieder, meist bei vermehrter Bewegung, an empfindlichen Schleimhäuten an. Gerade Blasensteine haben bei gefüllter Blase meist viel Platz, sich unauffällig im Urin hin und her zu bewegen ohne das Innere der Blase wirklich schmerzhaft zu berühren. Nierensteine, die im Nierenbecken liegen, haben da meist weniger „Glück“, denn das Nierenbecken ist viel kleiner und durch seine trichterform gelangen Nierensteine auch leichter in die Harnleiter als ein Blasenstein in die Harnröhre.

Dennoch macht beides, mit mehr oder weniger Zeitabstand, Schmerzen, Diese können je nach Lage und Größe des verursachenden Steins (oder der verursachenden Steine) erheblich sein. Ein wegen Harnsteinen klamm laufendes Pferd kann unter Umständen spontan komplett „ausrasten“ einfach weil der Stein plötzlich fest klemmt und starke, kolikartige Schmerzen verursacht.

Niere oder Blase, das ist die Frage

Im Gegensatz zum Menschen liegen beim Pferd die Harnsteine meistens in der Blase. Das ist schon mal gut, denn hier kann man sie viel leichter entfernen. Würden sie im Nierenbecken oder in den Harnleitern liegen wäre eine größere Operation nötig. Bei Harnsteinen in der Blase, die dann, Ihr vermutet es sicher schon, Blasensteine heißen, kann man kleinere „kandidaten“ manchmal sogar mittels Endoskop manuell entfernen.

Endoskopie – mehr als nur Blick durchs Schlüsselloch

Was genau das ist? Im Endeffekt ist es ein Schlauch mit Kamera und Lampe am Ende, in den man auch noch verschiedene kleine Werkzeuge einführen kann. Dieser wird, natürlich unter Sedation und Schmerzausschaltung, in die Harnröhre von außen eingeführt. So kann der Tierarzt nachschauen, wie viele und wie groß die Steine in der Blase sind (oder ob überhaupt welche drin sind oder vielleicht eine Entzündung vorliegt oder er den Grund für die Schmerzen woanders suchen muss). Sind kleine Blasensteine vorhanden kann der Tierarzt versuchen, diese mit der mit Hilfe des Endoskops eingeführten Faßzange direkt zu entfernen. Große Steine können damit nicht entfernt werden.

Stuten haben wie oben erwähnt eine recht kurze Harnröhre. Darüber hinaus ist sie auch noch recht dehnbar, so dass bei Stuten auch etwas größere Steine mittels Endoskop entfernt werden können. Die Dehnbarkeit der Harnblase ist auch der Grund, warum Stuten seltener an Blasensteinen erkranken als Wallache und Hengste: Kleine Steinchen werden einfach mit dem Urin ausgeschwemmt. Die enge und straffe Harnröhre der männlichen Pferde erlaubt das nur bei sehr sehr kleinen Steinchen. Und selbst das kann schief gehen, nämlich wenn ein Stein es zwar durch den weiteren Anfang der Harnröhre schafft, dann aber stecken bleibt. Das macht natürlich erhebliche Schmerzen.

Unklares, gestörtes Gangbild immer abklären!

Deshalb (und natürlich weil wir Verantwortung tragen und unser Pferd nicht unnötig leiden sollte, egal aus welchem Grund) sollte ein wiederholt unklar gestörter Gang, Verspannungen oder sonstiges sich äußerndes Unwohlsein des Pferdes unbedingt tierärztlich abgeklärt werden. Immerhin sitzen wir auf mehreren hundert Kilo geballter Muskelkraft und wer schon mal ein Pferd gesehen hat, das so richtig tobt will da sicher nicht drauf sitzen.

Übrigens: ein erster Hinweis, der auftreten kann aber nicht muss ist Blut im Urin. Solltet Ihr also feststellen, dass der Urin nicht wie normalerweise satt gelb ist sondern orange oder gar rot oder am Scheidenausgang bzw. der Penisspitze Eures Pferdes Blut vorfinden, bitte sofort den Tierarzt rufen (eigentlich versteht sich das von Selbst aber man kann es angesichts so vieler, die erst mal auf Facebook nachfragen, nicht oft genug betonen: Der Tierarzt hat 5,5 Jahre Grundstudium plus zahlreicher Fortbildungen und eventuell noch eine zusätzliche Ausbildung zum „Pferdefachmensch“ gemacht. Also verlasst Euch bitte auf die Aussage des Veterinärs, nicht auf die Euch unbekannter Leute in irgendwelchen Internet-Foren.)

Urin- und Bluttest

Hilfreich bei der Diagnose ist sowohl ein Urintest als auch ein Bluttest. Im Urin kann der Tierarzt bzw. das Labor auf Stoffe testen, die Harnsteine verursachen. Sprich, gelöste Stoffe, die beim Ausfällen den Stein erzeugen.

Dafür ein Beispiel: Wenn man Salz in Wasser löst, dann entsteht Salzwasser, ganz klar. Ähnlich ist das bei den Salzen, die Harnsteine machen, die sind zunächt im Urin gelöst und lagern sich dann, wenn zu viele davon da sind, irgendwann ab. Man sagt sie „fallen aus“, das heißt sie sind nicht mehr gelöst im Urin sondern werden wieder zu Kristallen. Ähnlich wie wenn man beim Lösen von Salz in Wasser immer mehr und mehr Salz hinzugibt. Irgendwann ist das Wasser „gesättigt“, es kann kein weiteres Salz gelöst werden, der Rest bleibt also als Kristall bestehen. Der Vergleich hinkt natürlich ein bisschen, denn ein Pferd ist kein Wasserglas, aber ich denke, Ihr versteht, was gemeint ist.

Das Labor untersucht also den Urin auf Substanzen, die sich als Harnsteine ablagern. Wird davon über einem bestimmten Grenzwert im Urin gefunden, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Pferd Harnsteine hat.

Eine weitere Untersuchung, um den Verdacht zu bestätigen, ist die Untersuchung des Blutes. Je nachdem, wo der Harnstein sich fest gesetzt hat, behindert er nämlich die normale Funktion der Nieren. Die Nieren können dann das Blut nicht mehr von den Stoffen, die sie normalerweise aus dem Blut filtern, reinigen (oder besser gesagt nicht mehr so gut, denn wenn die Nieren gar nicht mehr funktionieren stirbt das Tier binnen kurzer Zeit). Diese Stoffe kann man dann in erhöhter Konzentration im Blut nachweisen. Der Tierarzt sieht an den Laborwerten sofort, ob mit den Nieren etwas nicht stimmt und meistens auch (zusammen mit dem Rest des Krankheitsbildes) wo das Problem liegt.

Dann schauen wir mal nach…

Ist durch die Urin- und Blutuntersuchung der Verdacht erhärtet, dass das Tier unter Nierensteinen leidet, wird ein sogenanntes Bildgebendes Verfahren zur letzten Bestätigung des Verdachts eingesetzt. Davon gibt es einige, die einfachste und auch schonendste ist die Ultraschalluntersuchung. Der Tierarzt bringt also entweder, falls vorhanden, sein mobiles Ultraschallgerät mit in den Stall oder das Pferd muss in die Klinik.

Mittels Ultraschall kann man die meisten Harnsteine darstellen und damit ist klar, hier ist ein Stein im Pferd, wo keiner sein sollte und verursacht erhebliche Schmerzen.

Eine andere Alternative zur Diagnostik, die ich weiter oben schon erwähnt und ausführlich erklärt habe, ist die Endoskopie. Hier gibt es unter den Methoden keine „bessere oder schlechtere“, für welche Art der Diagnostik man sich entscheidet oder ob eventuell beide nötig sind um sicher zu gehen, entscheidet sich von Fall zu Fall. Kein Pferd gleicht dem anderen, daher muss man das immer direkt entscheiden, wenn man am Patienten arbeitet.

Harnsteine – eine potenziell lebensbedrohende Erkrankung

Jetzt ist Handeln gefragt. Nicht nur sollte man dem Pferd weitere Schmerzen ersparen, ein Harnstein ist auch keine Lapalie. Wie bereits oben erwähnt kann so ein Stein (und meistens ist es nicht nur einer, sondern es sind gleich mehrere) die Nieren schädigen oder sogar zum Organversagen der Nieren führen. Das wäre ein sofortiger Euthanasiegrund, also sprich man müsste das Tier umgehend einschläfern.

Die Therapie

Harnsteine beim Pferd sind, so dramatisch die Schmerzen eines akut fest geklemmten Harnsteins auch sind, rechtzeitig erkannt leicht zu therapieren. Wie bereits oben erwähnt können kleinere Steine oft sogar händisch mittels Endoskop entfernt werden. Sind die Steine größer kann man sie von außen mit einem sogenannten Lithotriptor zertrümmern. Das dazugehörige Verfahren bezeichnet man als Lithotripsie.

Litho…was???

Das Wort Lithotripsie bedeutet nichts anderes als „Stein zertrümmern“. (Fragt mich an dieser Stelle bitte nicht nach der genauen Herkunft des Wortes. Lithos ist griechisch für Stein und Tripsirgendwas mit zertrümmern oder zerschlagen. Wer das ganz genau wissen will möge auf Wikipedia nachschauen oder Google benutzen 😉)

Ein Lithotriptor erzeugt Schallwellen, die, in der richtigen Frequenz, die Steine zertrümmern. Die nun kleineren Krümel kann man wiederum entweder mit dem Endoskop „absammeln“, operativ (meist mit einem Laparoskop, also mittels der sogenannten „Schlüssellochoperationsmethode“ abfischen oder raus spülen (auch hier entweder durchs Laparoskop oder durch die Harnröhre, was auch immer sich besser anbietet).

Ist das Pferd erst mal von seiner steinigen Pein befreit sollte es sich schnell erholen und auch wieder frei laufen.

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