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Antiquarisch und nicht mehr zeitgemäß: Der Sperr-Riemen

In der Reiterei hat sich viel geändert oder besser es scheint mehr Extreme zu geben als früher. Da sind zum Einen die „Reiter“, die mit Rollkur, LDR und Co ihre Pferde knechten um noch eine gelbe Schleife und einen Plastik-Pokal mehr aus einem völlig überforderten und geplagten Tier heraus zu quetschen, zum Anderen echte Pferdefreunde, die ihr liebstes Hobby mit Sachverstand und Pferdeliebe betreiben. Letzteren haben wir es zu verdanken, dass so einiges, was früher üblich war, nach und nach verschwindet. Dazu gehört auch der sogenannte Sperr-Riemen. Er wurde – und wird leider von manchen Reitern immer noch – dazu verwendet, das Öffnen des Mauls schon im Ansatz zu unterdrücken. Genauer gesagt wird bei Verwendung des Sperr-Riemens dem Pferd das Maul zugeschnürt. Zu allem Elend wissen viele Reiter nicht (mehr?) wie man einen Sperrriemen korrekt schnallt und ziehen das elende Ding viel zu eng zu.

Sperr-Riemen am englischen Reithalfter - hier viel zu eng verschnallt - unnötig und schädlich
Sperr-Riemen am englischen Reithalfter – hier viel zu eng verschnallt – ist nicht nur unnötig sondern auch schädlich

Dabei braucht man am englischen Reithalfter keinen Sperr-Riemen. Das Englische Reithalfter ist so konzipiert, dass es recht weit oben, nämlich einige cm unterhalb des Jochbeins, den Kiefer des Pferdes fixiert. Richtig verschnallt ist dies für das Pferd eine Erleichterung, weil es nicht gegen das Gewicht und den Druck des Gebisses mit Hilfe von Muskelkraft das Maul geschlossen halten muss. Es kann den großen Kaumuskel locker lassen, den nötigen Schluss des Kiefers übernimmt das Reithalfter.

Vergleichbar wenn auch nicht direkt zu übertragen ist das wohl mit einer rutschenden Hose. Ein gut passender und nicht zu enger Gürtel hilft uns, dass die Hose an der Stelle bleibt und wir nicht ständig den Bauch raus strecken müssen. Fehlt der Gürtel rutscht die Hose, ist er zu eng wird’s unangenehm.

Das ist also die Aufgabe des Reithalfters. Der Sperr-Riemen hingegen soll bewirken, dass sich das Pferd der reiterlichen Hilfe am Zügel nicht entziehen kann. Was es gar nicht müsste wenn die Zügelhilfen so ausgeführt werden würden wie sie es sollen, nämlich weich und ohne Zerren.

Da leider viele Reiter die Zügel mit einem Fahrradlenker verwechseln und versuchen, das Pferd in ähnlicher weise zu „lenken“ versucht das Pferd verständlicherweise, sich diesem unangenehmen Druck zu entziehen. Es öffnet das Maul, nimmt den Kopf hoch und versucht sogar, die Zunge über das Gebiss zu schieben. Mit Sperr-Riemen ist dies nicht möglich, die Einwirkung der harten Hand, des zu scharfen Gebisses, des zerrenden Reiters bleibt erhalten. Klingt gut? Ist es nicht. Das Einzige, was man damit erreicht ist ein verkrampftes, geplagtes Pferd und einen Reiter, der nichts lernt weil er eben nicht an der Reaktion seines Pferdes ablesen kann, dass er etwas falsch macht. Am Ende ist das Pferd „Mundtot“ und reagiert gar nicht mehr auf feinere Zügelhilfen weil es diese einfach nicht mehr spürt und der Reiter hat immer noch eine rohe Hand…

Noch schlimmer wird das Ganze wenn der Sperr-Riemen auch noch zu eng geschnallt ist. Statt der früher üblichen Faustregel „es müssen 2-3 Finger leicht durch passen“ schnallen viele den Riemen „so fest es geht“. Damit wird nicht nur Druck auf den Nasenrücken und die Kinngrube ausgeübt, der die Konzentration des Pferdes garantiert nicht fördert, der Riemen behindert darüber hinaus auch noch die Atmung. Nun stellt Euch vor, Ihr sollt einen Tanz vorführen, das Ganze soll gefälligst entspannt und locker aussehen, soll Euch wenn möglich Spaß machen, und dabei tragt Ihr ein Korsett, das Euch die Atmung abschnürt und an allen Ecken drückt, zwackt und schmerzt. Schön? Sicher nicht. Das genau ist es aber, was Ihr Eurem Pferd antut wenn Ihr einen Sperr-Riemen benutzt. Und wer jetzt auf die Idee kommt „dann schnalle ich den eben locker“ dem sei gleich entgegen gesetzt: dann reibt das elende Ding und bringen tut’s erst nichts.

Tut also Euch und Euren Pferden einen Gefallen und werft die Sperr-Riemen endgültig auf den Müll. Ohne Sperr-Riemen kann Euer Pferd entspannt und schmerzfrei laufen und Ihr seht sofort an seiner Reaktion, falls irgendwas nicht stimmt, z.B. Ihr eine harte Hand reitet. Doch nicht nur das, auch Zahn-Probleme fallen schneller auf wenn beispielsweise ein Pferd, das normalerweise gut am Zügel steht auf einmal versucht das Maul zu öffnen und gegen das Reithalfter drückt.

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